Interviews mit 

la fidèle

La fidèle ist eigentlich recht medienscheu und steht ungern im Mittelpunkt. Im Mai 2022 gab sie - für alle überraschend  - ihr erstes Interview.  Anlass war ihr einjähriges Hafenjubiläum im Rostocker Stadthafen. Seither ist sie auf den Geschmack gekommen und stellt sich immer mal wieder den Fragen der segelinteressierten Öffentlichkeit. Dabei eröffnet sie -  teils sehr persönliche -  Einblicke in ihre bewegte Vergangenheit und das gegenwärtige Leben mit Silke und Matthias. 
Hier geht´s zu ihrem dritten Interview - dem WEIHNACHTSINTERVIEW 2022.


Silke Mardorf
© Silke Mardorf

"Dieser Stillstand macht mich ganz depressiv" 

Weihnachtsinterview mit la fidèle (12/2022)

Zuletzt trafen wir La fidèle gegen Saisonende im Rostocker Stadthafen. Kurz bevor sie in Richtung Winterlager aufbrach, lud sie uns ein, sie dort zu besuchen. Dieser Einladung folgen wir heute und fahren in den alten Fährhafen / Großenbrode / Lübecker Bucht. Dort treffen wir La fidèle auf einer großen Wiese, von einer Plane geschützt, inmitten vieler anderer Boote – an die Hundert oder mehr? Kalt pfeift der Wind durch die Wanten. Es ist Weihnachten. Außer uns ist keine Menschenseele hier. Dafür treffen wir umso mehr (einsame) Bootsseelen.

Salut, la fidèle! 

Bonjour tout le monde! 
 

Wie geht es Ihnen? 

Fragen Sie nicht! 

 
Aber deswegen sind wir doch hier!
So schlimm?
 

Schlimmer! 

 

Möchten Sie darüber reden? 

[schweigt] 


Sieht doch ganz nett aus hier, finden Sie nicht? [aufmunternd] 

C´ est pas si mal. Es geht so. Von hier aus kann ich das Meer riechen und hören. Immerhin! Und ich habe sehr nette Nachbarinnen. 

 

Wo liegt also das Problem? 

Das Problem ist nicht DIESES Winterlager. Das Problem sitzt tiefer! 

W I N  - T E R -  L A -  G E R ! 

Dieses Wort sagt doch alles… ! 

[seufzt] 


Was sagt es denn alles? 

Na AL - LES! 

[genervt] 

Also gut! Ich erkläre es Ihnen. Aber ziehen Sie sich warm an. 

 

[zieht sich warm an] 

Im Herbst werden wir Boote aus dem Wasser an Land gekrant. 

[holt tief Luft] 

Dann stellt man uns ins Winterquartier. Also jedenfalls in Deutschland. Das ist so eine deutsche Marotte, müssen Sie wissen. In den Niederlanden bleiben die meisten von uns ganzjährig im Wasser. 

 

Warum nicht in Deutschland? 

Sehr gute Frage! Nächste Frage! 

Fakt ist: Nicht jeder Hafen ist zum Überwintern geeignet. In manchen Gewässern entsteht Treibeis. Das kann unseren Rümpfen gefährlich werden. Außerdem kanns heftig stürmen, die Wasserstände können sich rapide ändern, gerade in Gezeitenrevieren. Und meine Crew wohnt ja fernab an Land und kann mir dann nicht so schnell helfen. Voilà. 

 

Verstehe. Wobei sich Tidenhub und Treibeis im Rostocker Stadthafen in Grenzen halten dürften, oder? 

Genau! Aber sagen Sie das mal meiner Crew! 

 

Mach ich. Dass mit dem Kranen stelle ich mir spannend vor….? 

Ach was! Das ist ein ritualisierter, technischer Akt: Zunächst beraubt man mich – noch im Wasser - meiner Segel und meines Großbaums. Zu guter Letzt meines Masts. Ab da fühle ich mich nackt und unvollständig. Anschließend werde ich - quasi im Evakostüm - aus dem Wasser gekrant. 

[beschämt] 


Beim Kranen schlägt dann die Stunde der Wahrheit …? 

So ist es. Alles, was im Sommer unter der Wasseroberfläche kaschiert blieb, kommt nun zu Tage. In meinem Fall sind das verborgene 1,30 m Tiefe auf rund 10 m Länge. Hielt das Antifouling am Unterwasserschiff? Habe ich Kalkröhrenwürmer und wenn ja, wie viele? Sind Muscheln, Pocken oder Algen am Rumpf? Wie steht´s um mein Ruderblatt und meine Kielbombe? 

 

Was dieses Jahr zutage kam, können wir uns vorstellen! 

Genau, Pocken am Propeller. Aber ich wurde jetzt dagegen behandelt. Nachhaltig! 

 

Ich gratuliere Ihnen! Wie kamen Sie auf diese Wiese hier? 

Mit einem Traktor natürlich. Früher, in Holland, hatten wir einen modernen, ferngesteuerten Trailer. Zuvor lässt mich der Kran auf einem Stahlgestell nieder, auch „Leihbock“ genannt. Auf diesem werde ich in mein Winterquartier gezogen. Diesmal ist es eine Wiese. Manchmal ist es auch ein matschiger Acker, eine zugige Halle oder ein schnöder Asphaltparkplatz, voilà. 

 

Und nun? 

Nun „lagere“ ich hier bis zum Frühling. 

[verbittert] 


„Lagern“ klingt wirklich bitter! 

Ja, wie ein Sack Kartoffeln. Oder wie Wegelagerer.  Ausgestoßene im Außenlager! 

 

Jetzt übertreiben Sie aber, Madame! 

Finden Sie?
Hier stehe ich und kann nicht anders. Bewegungslos bis zum Frühjahr, ohne Wasser unterm Kiel und ohne Segel. Stattdessen trage ich eine mäßig schützende, hässliche Plane.
Und Sie sagen, ich übertreibe?! 
Dieses tragische Schicksal teile ich mit vielen meiner Schwestern. Es ist eine schwere, dunkle, einsame und vor allem - statische Zeit. 

[seufzt schwer] 


Verstehe … 

Das bezweifle ich. 

Sie sind ein an Land lebendes Säugetier. 

 

Ja, aber ein empathisches, an Land lebendes, Säugetier. 

Mag sein. 

 

Was ist für Sie persönlich das Schwerste und Dunkelste an dieser Zeit? 

Trotz bester Winde stehe ich auf der Stelle. Monatelang! Meine GPS-Koordinaten bleiben ein halbes Jahr konstant. Ich durchlebe eine Phase frostigen Stillstands. Keinerlei Fahrt über Grund ... ! Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch in Tidenrevieren, bei Strömung gegenan, komme ich manchmal nicht von der Stelle. Aber da mache ich immerhin Fahrt durch´s Wasser. Und darauf kommt es doch an. DURCHS Wasser und angetrieben von Wind und manchmal auch Strömung. Dieser Stillstand macht mich ganz depressiv. 

[verzweifelt] 

 

Verstehe … 

Vielleicht… .
Es ist ja so: Für ein Leben an Land sind wir Boote einfach nicht gemacht! An Land bin ich wie ein Vogel, dem man die Flügel gestutzt hat. Zwar spüre ich den Wind und höre das Meer. Aber der Wind verfängt sich nicht in meinen Segeln [die Plane flattert]. Stattdessen flattert lärmend und unkontrolliert diese Plane um mich herum. 


Ich fühle mit Ihnen … 

Danke. Es tut so gut, darüber zu reden … . 


Sehr gerne!
Ich bin außerhalb meines Elements. Mein Element ist die See. Das Meer ist so nah – wenige hundert Meter von hier – und doch so fern. 

[wehmütig] 


Hat das Winterlager auch positive Seiten? 

Non, non! Winterlager ist nicht meine Welt! 

[trotzig] 


Sie sprachen vom Aufhübschen!? 

Oh ja. Oui-oui! Hier geht´s im Winter oft zu, wie auf einer Beauty- und Wellnessfarm. Vor allem mein Unterwasserschiff braucht - wie in jedem Winter - sehr viel Zuwendung, müssen Sie wissen. Also nicht nur meins! Das ist so ein Bootsding, wissen Sie? 

[lebt auf] 


Bootsding? 

Oui-oui! Wir Boote werden gepflegt, geschliffen, poliert, saniert, gewartet, repariert, geputzt und für die nächste Saison flott gemacht. Matthieu kommt im Winter regelmäßig vorbei und dann legt er los. Und wie! Oh lala! Und das nicht zu knapp! Daran merken wir Boote, wie sehr wir geliebt werden. Matthieu liebt mich sehr! 

[schwärmerisch] 

 

Und Silke nicht? 

Doch, doch! 

[beteuernd] 

Silké liebt mich auch! Aber nicht auf diese Weise. Mehr so platonisch. Handwerklich ist sie – wie sagt man -  eher so mittelbegabt. Pardon, das sagt sie selbst! Ich zitiere sie nur! Können Sie alles in ihrem Blog nachlesen. 

 

Ok… 

Ja, machen Sie das! 

[zögert] 

Wissen Sie: Silké drückt ihre Zuneigung auf andere Weise aus: Sie pflegt die Website und füttert den Segelblog. Und sie verschafft mir Interviewtermine, so wie heute. Neuerdings sucht sie den Kontakt zu den Medien, social media und so. Das kann sie notfalls auch an Land erledigen.
Ihr Landleben ist nicht Ohne! Voller Termine, müssen Sie wissen! Aber sie segelt mit mir und uns in jeder freien Minute. Wirklich in jeder. Und das ist ja auch Liebe, n'est-ce pas

[triumphierend] 

 

Aber ja! L` amour pur! 

Absolument! 

 

Das ist die perfekte Überleitung. Heute ist das Fest der Liebe! 

Voilá ...

 

Eine letzte Frage noch:  Wann sind Sie denn wieder in Ihrem Element, la fidèle?
Bald, ganz bald. Vielleicht schon im März … 

[atmet auf] 


Nur noch wenige Wochen .... [atmet auch auf]
Bis dahin warte ich. "Rêver, c'est le bonheur; attendre, c'est la vie". Das ist von Victor Hugo.


Merci, La fidèle – wir danken Ihnen für das Interview. Halten Sie durch! Alles wird gut! 

Merci tout le monde. 
Merci Mesdames et Monsieurs. 
Merci beaucoup! 

[ergriffen] 

… darf ich noch wen grüßen? 

 

Sehr gerne! 

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein glückliches Weihnachtsfest. 

Und vergesst uns nicht. 
Uns, Eure Boote. Wir warten auf Euch - attendre, c'est la vie.

Und nächstes Jahr segeln wir Euch, wohin Ihr wollt. 

Ich, la fidèle, bin jedenfalls bereit für meine Crew. 

 

Frohe Weihnachten tout le monde! 
Joyeux noël! 

[die Plane flattert im Wind, in der Ferne rauscht das Meer] 




 


 



 


 

© Silke Mardorf

"Und zack! Hing ich mit meinem Kiel im Sand."

Herbst-Interview mit la fidèle (10/2022)

Salut, la fidèle! 

Bonjour tout le monde! 

 

Wie war die Segelsaison 2022? 

Wunderbar bis wechselhaft! 

[beschwingt bis zögerlich] 

 

Das klingt durchwachsen. Möchte Sie etwas konkreter werden? 

Ich möchte! Die Saison bestand aus lauter kurzen Segelabenteuern. Ich beginne chronologisch: Zum Saisonbeginn haben wir Lolland umsegelt. Wir starteten ab Burgstaaken, also von meinem letztjährigen Winterlager auf Fehmarn, und brachen zu einem Inselhopping auf, von Langø nach Femø und so fort. Eine Insel hübscher als die andere! Wir durchquerten erstmals den Guldborgsund, alles in der Vorsaison. Manchmal war ich fast das einzige Boot im Hafen. Da war eine besondere Stimmung in den Häfen: eine Mischung aus Stille und Einsamkeit, gepaart mit vorfreudiger Aufbruchsstimmung. Die ganze Saison liegt da noch vor einem. Fantastique! 

 

Langø, Femø, Guldborg. Klingt aufregend! 

Aufregend? – nein, das trifft es nicht. Es war angenehm unaufgeregt. Auf Femø zum Beispiel: Mein Team hatte passenderweise weder eine Kreditkarte noch dänische Kronen dabei und der Hafenautomat akzeptierte keine EC-Karte. Sie sorgten sich sehr, weil sie nicht „falschparken“ wollten – oder wie sagt man? Jedenfalls: Als der Hafenmeister kam, bestürmte ihn Silké mit entschuldigenden Ausflüchten in hilflosem Dänglisch. Der Hafenmeister blieb vollkommen gelassen und antwortete – auf Deutsch natürlich:  „Also das Erste, was Sie hier lernen müssen ist: Wir sind eine Insel. Hier geht es langsam und entspannt zu. Wir Insulaner mögen keine Hektik. Und keinen Stress. Erst recht nicht in der Vorsaison. Herzlich Willkommen auf Femø. Haben Sie einen schönen Aufenthalt. Die Duschen sind hinten links.“ 

Das wäre in Deutschland kaum vorstellbar
Nein. Deutsche Hafenmeister sind meist sehr streng und verstehen kein Pardon, wenn es ums Liegegeld geht (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.) Einige sind hinter dem Liegegeld her, wie Boris Hermann hinter der nächsten Vendée Globe. 

 

[lacht] Schöne Metapher, Madame. Interessieren Sie sich neuerdings für Regatten? 

Oh ja. Mein Team segelte dieses Jahr erstmals bei einer Regatta mit. Aber der Reihenfolge nach… 

 

Gut. Eine Zwischenfrage: Konnten Sie, wie angekündigt, Ihr Dänisch verbessern, la fidèle? 

Nun ja, also …. 

[lange Pause] 

… also ehrlich gesagt,  … ich arbeite dran. 
Demnächst. 
Vielleicht im Herbst. 
Im Winter ganz bestimmt. 
Aber wissen Sie, diese grenznahen Däninnen und Dänen praktizieren ja so ein gepflegtes Weltbürgertum. Im Grunde wie ich. Nur, dass sie eben besser Dänisch sprechen. Und obendrein oft Deutsch. 

[verlegen] 

 

Themenwechsel [lacht]. Wie ging´s denn weiter? 

Im Sommer unternahmen wir lauter kleine Wochenendtörns, oft nach Dänemark rüber, nach Nysted, Hesnæs, Gedser. Oder nebenan nach Kühlungsborn natürlich. Und manches Wochenende segelten Matthieu und Silké nicht mit mir, sondern für www.sailingforyou.eu. Das heißt, sie ließen mich im Hafen stehen und wechselten auf eines der Nachbarboote, auf „Amalur“, „Harmony“ oder „Laralina“. 

[säuerlich] 

 

Oh! 

Ja, genau: Oh! 

 

Klingt, als wären Sie nicht amüsiert 

Sie sagen es! Ich finde das alles soso, lala.. Zwar bin ich ja prinzipiell einverstanden mit den Skippertörns auf Fremd- und Drittbooten. Aber bei aller Liebe: Das sollte nicht überhand nehmen! Und schließlich heiße ich la fidèle!  Mein Name ist wechselseitig Programm und keine Einbahnstraße. Weil mein Team es dieses Jahr ein bisschen übertrieb, verpasste ich den beiden einen petit Denkzettel. Quasi als Warnschuss! 

 

Ein Warnschuss? 

Jawohl. Ich habe wieder Pocken am Propeller angesetzt. Als Denkzettel an mein Team. Das kommt nämlich davon, wenn ich nicht regelmäßig gesegelt werde! Matthieu musste mich untenrum abtauchen und alles abkratzen. Zur Strafe! 

[feixt] 

 

Abtauchen? Ins Rostocker Hafenbecken? 

Genau da! 

 

Lecker! 

Sie sagen es! 

 

Sehr listig von Ihnen! 

Ja, ein wenig. 

[schelmisch] 

 

Themenwechsel: Ging Ihr Wunsch, Hiddensee zu ersegeln, in Erfüllung? 

Oui-oui-oui. Jaaaaaa! Im drückend warmen Monat August segelten wir gegen den Uhrzeigersinn rund Hiddensee, mit Zwischenstopps in Barhöft und Vitte. Endlich! Traumhafter, warmer Wind auf dem Hinweg, brühheißer, mückenreicher Aufenthalt auf der Sonneninsel und vollkommene Flaute auf dem Rückweg. Die Insel erinnerte mich übrigens entfernt an Spiekeroog. Der Schönheit, Vielfalt und Flora wegen. Flautenbedingt kam auf dem Rückweg übrigens 60 Seemeilen lang mein Motor zum Einsatz. Er lief und lief und lief und lief und lief und lief und lief und lief und lief und lief und lief und lief und … 

[la fidèle hat einen Sprung in der Platte] 

 

Pardon, Sie sprachen von Abenteuern? 

… und lief... 


Ja, genau. 

Zweimal (!) setzte mich mein Team auf Grund. Das erste Mal setzte mich Silké auf Grund, das zweite Mal Matthieu. Zum Glück war es jedes Mal ein sandiger Grund. 

 

Was war passiert? 

Beim ersten Mal blendete die Sonne, der Plotter war noch nicht an und Silké fuhr munter, aber blind drauf los. Das war beim Schnatermann / Warnemünde – und plötzlich: Rumms – sass ich fest! Sehr misslich. Ein freundliches Segelboot mit einem patenten Segler an Bord zog mich mit Leinen und Motorkraft aus dem Sand. 

 

Und beim zweiten Mal? 

Beim zweiten „Aufgrundlaufen“ vertraute Matthieu der Seekarte, in der Annahme, es sei backbord querab tief genug für mich. Und verließ absichtlich – sehr zielstrebig und siegesgewiss, aber Gott sei Dank zaghaft -  das Fahrwasser. Das war im Bodden bei Barhöft. Und zack, hing ich wieder mit meinem Kiel im Sand. 

 

Oh! Wie entkamen Sie denn dieser zweiten misslichen Lage? 

Ganz einfach! Silké verdrehte die Augen und rief: „Matthias, ab in den Bodden“. Matthieu musste ins lauwarme, hüfthohe Wasser springen und mich rausziehen. Mich, fünf Tonnen schwer. Er zog mich  - beinahe lässig - mit einer Leine aus dem Sand. Da dachte ich bei mir: Chapeau! 

[dankbar, ergriffen, stolz] 

 

Wie war eigentlich die Hansesail? 

Ganz schlechtes Thema. 

 

Was? Wieso? 

Ich war nur Zaungast im Hafen und segelte nicht mit. Matthieu hatte Rücken. Pfff 

[enttäuscht] 

 

Themenwechsel: Sie sprachen von einer Regatta… !? 

Ah oui. Das war superbe! Mein Team segelte beim „23. Sandeman-Cup“ 2022 mit, eine alljährlich vom Yachtclub „Warnow“ e.V. organisierten Regatta mit diesmal rund 60 teilnehmenden seegehenden Booten. Von 22- bis 45-Fuss war alles dabei.

 

Eine der größten Seeregatten im Ostseeraum... 

Sie sagen es. Start ist in Warnemünde, dann geht es über 40 Seemeilen bis nach Nysted / Dänemark. 

Unter „realen“ Regattabedingungen mit gültigen Wettfahrtregeln und ein paar zu umrundenden Tonnen vor Rødsand. Das Ganze gewertet nach Yardstick. Im Zielhaften gibt´s dann Freibier für alle und der Grill wird angeschmisssen. Am nächsten Tag segeln alle glücklich, einige verkatert, zurück. 

 

Wow! 

Ja, wow! Fast alle waren dabei, nur ich nicht! 

[halb beleidigt] 

 

??? 

Mein Team segelte die Regatta auf der „Amalur“, einer Delphia 40.3 im Auftrag von "segeln erleben". Mit fünf zwar unerfahrenen, aber begeisterten Gästen. Sie hatten sehr viel Spaß. 

 

Ohne Sie, Madame? Wie schade! 

Nun ja, wer weiß, wofür es gut war. Mein Rigg ist nicht mehr das Jüngste. Es waren herausfordernde Bedingungen: Windstärke 6, heftige Böen, enorme Wellen. Sogar kleine Wasserhosen, auch Tornados genannt, wurden gesichtet. Nicht alle Boote schafften es ins Ziel, brachen ab oder wurden disqualifiziert. Aber das Team war großartig und mit viel Spaß und Enthusiasmus dabei. Von der Regatta gibt´s ein tolles Video auf Youtube. Produziert von  Videomotionarts, einem der Gäste. Großartig! Schauen Sie mal unter dem Link .
 

Tolles Video, da waren Profis am Werk! 

Sie sagen es! 

 

La fidèle, erzählen Sie doch bitte, wie … 

Non non, ein andermal gerne. Pardon, aber jetzt brechen wir auf in Richtung Winterlager. 

[dampft in die Achterleine ein]

Verstehe! La fidèle, wir danken Ihnen für dieses Interview. 

Mange tak, ich danke Ihnen. Tusind tak. Merci et à la prochaine. 

[legt ab] 

 

Au revoir, ma chère 

Au revoir! Und besuchen Sie mich doch mal im Winterlager.
[segelt die Warnow flussabwärts davon] 


Sehr gerne, la fidèle. Dann auf bald. 

[hinterher rufend] 

 

© Silke Mardorf

"Es gibt Tage, da fühl ich mich wie ein Schiff."

La première interview de la fidèle (5/2022)

Dies ist eines der seltenen Interviews mit la fidèle, um genau zu sein: das Erste. La fidèle ist recht medienscheu und steht ungern im Mittelpunkt. Aus Anlass ihres ersten Hafenjubiläums im Rostocker Stadthafen macht sie eine Ausnahme und eröffnet Einblicke in ihre bewegte Vergangenheit und das gegenwärtige Leben mit Silke und Matthias. Am Ende scheint sie Gefallen an dem Gespräch zu finden und stellt weitere Interviews in Aussicht. Wir sind gespannt und bleiben dran!

Guten Tag, la fidèle!
Bonjour tout le monde!

Oh, Sie sprechen Französisch?
Bien sûr! Natürlich, was glauben Sie denn? Ich bin eine Französin! Eine Beneteau oceanis 321 um genau zu sein. Meine Bootsbauer kommen aus der Vendée, südlich der Loire, nördlich von La Rochelle an der französischen Atlantikküste. Aber als Kosmopolitin bemühe ich mich, Fremdsprachen zu lernen. Excusez meinen petit accent, s il vous plaît.

Aber nicht doch Madame, Ihr Akzent klingt ganz wunderbar. Darf ich fragen, welche Sprachen Sie als Kosmopolitin sonst noch sprechen?
Das dürfen Sie! Niederländisch und Englisch. Nun, Deutsch konnte ich schon ein wenig, bevor ich nach Deutschland kam. Ich segelte viele Jahre in den Niederlanden. Und die Niederländer sprechen ja meist sehr gut Deutsch. Da habe ich mir das eine oder andere abgelauscht. Naja und Englisch ist ja sowieso die allgemeine Verkehrssprache, zum Beispiel im internationalen Funkverkehr. Demnächst fange ich mit Dänisch an. Es zeichnet sich ab, dass ich das häufiger brauchen werde.

In den Niederlanden lernten Sie auch Matthias und Silke kennen, richtig? Bitte erzählen Sie uns doch von Ihrer ersten Begegnung mit den beiden.
Mais oui, sehr gern. Matthieu stand eines Tages auf meinem Cockpit und...
… Matthieu?
... ach ja! Pardon, das können Sie nicht wissen. Ich nenne die beiden insgeheim Matthieu und Silké. Das ist eine liebevolle Retourkutsche von mir. Denn mein ursprünglicher Name war ja "Lucky me", bis Matthieu und Silké mich in "la fidèle" umtauften. Da habe ich mir meinerseits auch eine kleine Namensänderung für die beiden erlaubt.
 [zwinkert]

... und gefällt Ihnen Ihr neuer Name?
Oh lala, wie angegossen. Nicht nur, weil es ein französischer Name ist. La fidèle heißt auf Deutsch "die Treue" oder auch "die Zuverlässige". Und ich muss sagen, das hat mich ein wenig stolz gemacht. Die beiden haben mich in meinem tiefsten Inneren erkannt und das schon nach kurzer Zeit. Aber die Treue basiert auf Gegenseitigkeit. Die beiden sind mir und ich bin ihnen treu, so ist es abgemacht. Ein wechselseitiger Pakt, wenn Sie so wollen. Wir sind inzwischen ein tolles Team geworden. Wissen Sie, wir Boote sind nämlich teamplayer.  ... pardon ich schweife ab. Wo waren wir stehen geblieben?

Wir waren beim Thema "Kennenlernen" ...
... ah oui, merci! Also eines Tages stand Matthieu auf meinem Cockpit. Das war im Frühjahr 2019. Ich lag im Hafen von Stavoren / Ijsselmeer herum und sollte verkauft werden. Also wartete ich auf meine neuen Eigner - wobei ich den Begriff "neues Team" eigentlich bevorzuge. Meine Ex-Eigner wandten sich von mir ab und einer anderen zu. Ich hieß damals noch "Lucky me", fühlte mich aber alles andere als lucky, denn meine Zukunft war ungewiss. Etliche Interessierte hatte ich schon kommen und gehen sehen und ich begann zunehmend, an mir selbst zu zweifeln. Und dann kam Matthieu, der mir dadurch auffiel, dass er viel kritischer war, als die andern. Er durchkämmte jeden Zentimeter von mir und ging dabei sehr systematisch vor. Ich dachte: Oh, le monsieur überlässt nichts dem Zufall! Jeden Schrank riss er auf, krabbelte tief in meine Backskiste hinab, roch an meiner Bilge und widmete sich intensiv dem moteur, prüfte die Segel und die Bordelektronik und ach ... .  Immer aufgeregter suchte er nach dem Haar in der Suppe. Aber den Gefallen tat ich ihm nicht.

Gab es denn Haare in der Suppe?
Ja schon, aber nicht viele. Sie müssen wissen, ich hatte ja schon 23 Jahre auf dem Buckel. Und da stellt sich die eine oder andere Alterserscheinung ein. Meine Fenster zum Beispiel. Alle undicht. Aber das merkten die beiden erst, als wir schon ein paar Monate zusammen waren. Auch das Unterwasserschiff war nur soso lala.
[beschämt]

Und was war mit Silke?
Ja nun, Silké kam etwas später hinzu. Sie war zunächst gar nicht geneigt, sich mit mir zu beschäftigen, weil die beiden an dem Tag schon drei oder vier andere Boote besichtigt hatten. Entsprechend lustlos näherte sie sich mir. An Deck schien sie noch recht unbeeindruckt. Aber dann, als sie den Salon betrat ... ich bin nämlich innendrin der Inbegriff der Gemütlichkeit müssen Sie wissen! Und dann das XXL-Bett in der Eignerkabine im Heck – oh lala! Jedenfalls verkündete sie irgendwann: Matthias, das ist es! Et voilà! C`est moi! Da bin ich: La fidèle!
[schmunzelt]


Sie segelten dann gemeinsam zwei Jahre in niederländischen Gefilden und siedelten 2021 nach Deutschland über. Seit etwas über einem Jahr ist der Rostocker Stadthafen Ihr Heimathafen. Wie geht es Ihnen hier?
Ich freue mich, dass Sie mich das fragen. Es gefällt mir gut im Rostocker Stadthafen. Hier ist immer was los! Vor allem die Hanse Sail letztes Jahr war ein tolles Erlebnis. Sowas kannte ich ja gar nicht von meinen früheren Häfen! Vier Tage die Welt zu Gast in "meinem" Hafen. Zum Beispiel die  J.R. Tolkien, ein Topsegelschoner aus Amsterdam oder die "Cuauhtemoc" ein mexikanisches Segelschulschiff. Nicht zu vergessen die "Greif" und , und, und ... .
Obgleich ich das Ijsselmeer auch manchmal vermisse…

Was genau vermissen Sie denn?
Die Plattbodenschiffe. Und die Deichschafe.
[träumt]

Gibt es auch Dinge, die Ihnen nicht so gut gefallen in Rostock?
Die Kalkröhrenwürmer! Die habe ich mir hier letztes Jahr im Hafenbecken zugezogen. Große Merde! Excusez-moi, aber das wühlt mich sehr auf! Sowas kannten wir am Ijsselmeer ja gar nicht. Mein Ruderblatt war übersät davon, auch Teile meines Rumpfs. Gegen Saisonende wurde ich immer langsamer, machte nur noch vier Knoten. Wie peinlich! Matthieu hat mich dann abgetaucht und das Gröbste abgekratzt. Im Winterlager wurde ich dann untenrum grundsaniert. Mal sehen, wie es diese Saison läuft.

À propos Winterlager – wie finden Sie das so als Boot? Oder soll ich "Schiff" zu Ihnen sagen? 
Ach wissen Sie, das sind doch alles Etiketten. Ich persönlich finde die Grenzen zwischen Boot und Schiff ja recht fließend. Verglichen mit einer Jolle bin ich ganz schön schiffig. Gemessen an den hochhaushohen Kreuzfahrtschiffen in Warnemünde bin ich ein winziges Freizeitboot. Es gibt Tage, da fühle ich mich wie ein Schiff. Auch wegen der breiten Hüften. Matthieu meint auch manchmal, ich sei ziemlich „schiffig“. Ich halte es lieber mit Søren Kierkegaard, der gesagt hat: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“ 
Das Thema „Winterlager“ – das ist ein weites Meer und sprengt heute die Leinen. Wir segeln nämlich in Kürze nach Kühlungsborn. Lassen Sie uns unser Gespräch ein andermal fortsetzen, s`il vous plaît. 

[dampft in die Achterleine ein]

Sehr gern, Madame. Eine kurze Frage noch, wenn Sie erlauben? Wie sind Ihre Pläne für die nächsten Jahre?
Nun ja, die Ostsee ist für mich ein noch recht unbekanntes Revier. Meine Ex-Eigner waren mit mir in der Nord- und Waddenzee unterwegs. Ich möchte unbedingt mal nach Hiddensee und rund Rügen segeln und durch die dortigen Boddengewässer. Silké und Matthieu schwärmen oft davon. Da kann ich meine Stärken so richtig ausleben. Ich habe nämlich nur 1,30 m Tiefgang, müssen Sie wissen. In die schwedischen Schären zieht es mich auch. Ach, es gibt ja noch so viel zu erleben. Das Leben als Boot ist wunderbar.
[legt ab]

La fidèle! Wir danken Ihnen für dieses Interview. Merci und auf bald vielleicht? [hinterher rufend] 

Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite. Au revoir et à bientôt j'espère.
[segelt flussabwärts davon] ...